Sie ist ein ein Auslaufmodell: die Plastiktüte, die uns Jahrzehntelang gute Dienste geleistet hat. Weil es jedoch nicht ganz ohne Tragetasche geht, dienen teils kompostierbare Tüten aus Papier als Alternative. Doch sind diese wirklich so gut wie ihr Ruf?
Plastiktüte vs. Papiertragetasche
Auch wenn es uns ein 90er Jahre Pop-Hit glauben machen will: "Life in plastic" ist nicht wirklich "so fantastic". Nicht nur die Meere versinken im Plastikmüll, sondern auch die Luft ist mittlerweile durch mikroskopisch kleine Kunststoffpartikel stark verunreinigt. Mal ganz abgesehen von den winzig kleinen Plastikpartikeln, die z. B. in Kosmetikprodukten enthalten sind und im Verdacht stehen, hormonell wirksam zu sein. Zudem werden Ressourcen wie Erdöl, das für die Herstellung von Kunststoff notwendig ist, in vielen Teilen der Welt mit immer weniger Rücksicht auf die Menschenrechte gefördert. Kurzum: Plastik ist echt Mist.
{{include_include-magazin}}Drohendes Verbot von Plastiktüten in der EU
Die Schäden für das Ökosystem, die Tierwelt und die menschliche Gesundheit sind noch lange nicht in vollem Umfang absehbar. Die EU erkennt ihren Auftrag, die Umwelt zu schützen und will Plastiktüten deshalb in Zukunft verbieten. Bereits jetzt erheben die meisten Einzelhändler eine kleine Gebühr, um Kunden davon abzuhalten, sich gedankenlos bei der guten alten Plastiktüte für den Transport des Einkaufs zu bedienen. Die scheinbar umweltfreundliche Alternative: Tüten aus Papier.
Warum sind Plastiktüten so schlimm?
Schätzungen gehen davon aus, dass bereits rund 150 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren schwimmen [1]. Mit etwa einer halben Millionen Tonnen kommt jedes Jahr mehr und mehr Plastikmüll hinzu. Weil Fische und Vögel solche Plastikreste fressen und damit ihre Mägen verstopfen, verhungern die Tiere in letzter Konsequenz. So gehen etwa einen Millionen tote Meeresvögel und rund 100.000 tote Meeressäuger pro Jahr auf das Konto des Plastikmülls. Hinzu kommt der enorme Ausstoß an CO2. Produktion und Transport von Plastiktüten verursachen eine CO2-Emission von gerundet 31 Millionen Tonnen pro Jahr.
Wieso landen Plastiktüten im Meer?
Würde man den gesamten Plastikmüll ordentlich recyclen, gelangten weitaus weniger Plastikpartikel in die Weltmeere. Leider liegt die Recyclingquote in Europa nur bei weniger als einem Drittel. Der Rest wird verbrannt oder noch schlimmer: in andere Länder exportiert, die mit dem Recycling unseres Mülls komplett überfordert sind. Asiatische Länder, die für den Großteils des Plastiks in Ozeanen verantwortlich sind, betreiben Müllkippen oft in der Nähe des Meeres und nehmen es mit Mülltrennung und Co ohnehin nicht so genau.
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Also ist die Papiertüte doch die bessere Wahl?
Nicht alles ist gold was glänzt und nicht alles "grün" was erst einmal nach Umweltschutz klingt, sich so anfühlt oder danach aussieht. Batterien für Elektroautos sorgen bei ihrer Produktion für einen CO2-Ausstoß, den man mit einem alten Diesel bei normaler Fahrweise in 8 Jahren nicht erreicht. Und auch die CO2-Bilanz von ökologisch anmutend designten Papiertüten ist alles andere als gut. Katharina Istel, Nachhaltigkeits-Expertin beim Naturschutzbund Deutschland, betont im ARD-Format "Quarks":
"Mich ärgert es, wenn die falschen Vorstellungen der Kunden ausgenutzt werden. [...] Die Verbraucher denken sie tun etwas Gutes, aber das ist das Gegenteil davon".
Experten wie Benedikt Kauertz vom ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg begründen das damit, dass bei Papiertüten weitaus mehr Material benötigt werde, um dieselbe Reißfestigkeit zu erreichen wie bei Plastiktüten. Zudem sei die Herstellung von Papier besonders energieintensiv und verbrauchsenorm für Wasser [2]. Im Übrigen muss auch der Einsatz verschiedener umweltschädlicher Chemikalien bei der Produktion reißfester Zellstofffasern mit in die Ökobilanz einkalkuliert werden. Einen kleinen Vorteil sehen Experten hingegen in der Tatsache, dass es sich bei Papier um einen nachwachsenden Rohstoff handelt, der sich außerdem schneller zersetzt als Plastik.
Kompostierbare Bio-Tüten als echte Alternative?
Wer denkt, mit einer kompostierbaren Bio-Tüte (z. B. aus Mais), tue er oder sie der Umwelt etwas Gutes, irrt leider ebenso. Zum einen handelt es sich beim Anbau von Nutzpflanzen um Monokulturen, die nicht unwesentlich am Artensterben beteiligt sind. Auch die Pestizide und Dünger, die zur Steigerung des Ertrags eingesetzt werden, schädigen das Ökosystem nachhaltig. Und das Schlimmste: Meist kommen die Rohstoffe für Bio-Tüten nicht aus der EU, sondern mit dicken Schiffen aus Übersee - in der Regel aus den Vereinigten Staaten.
Mehrwegtaschen, Kisten und Körbe nutzen
Die Lösung ist so einfach, aber manchmal eben doch nicht so leicht. Denn Mehrwegflaschen aus Glas wiegen nunmal etwas mehr als die leichten PET-Behälter für Wasser, Saft und Softdrinks. Auch der gute alte Einkaufskorb ist weitaus sperriger als die praktische Einwegtüte. Langfristig werden wir jedoch auf Rucksack, Korb und Mehrwegbeutel zurückgreifen müssen, um wirklich etwas zu verändern.
Doch Vorsicht: Der Naturschutzbund (Nabu) teilt auf seiner Internetseite mit, dass ein Beutel aus konventioneller Baumwolle eine 100 Mal schlechtere Ökobilanz aufweist als eine Plastiktüte [3]. Um diese auszugleichen, müsste man diesen demnach über 100 Mal öfter benutzen als die Plastiktüte. Mehrwegtaschen aus recyceltem Kunststoff scheinen also momentan die beste Wahl zu sein. Denn durch die Wiederverwendung fallen die Umweltauswirkungen der Herstellung im Vergleich zu den Einwegtüten am Ende nicht mehr ins Gewicht.
Quellen:
[1] https://www.zeit.de/thema/plastik[2] https://www.quarks.de/umwelt/muell/darum-sind-papiertueten-gar-nicht-so-nachhaltig [3] https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/alltagsprodukte/19463.html